Menschen im Fokus

Namibia ist zweimal so groß wie Deutschland, zählt aber mit knapp 2,2 Millionen Einwohner zu den am dünnsten besiedelten Regionen der Welt. Auf einen Quadratkilometer kommen hier im Durchschnitt 2,2 Menschen. Wie auch Südafrika ist Namibia eine „Regenbogennation” und wie viele afrikanische Staaten ein Land mit großer kultureller Vielfalt. In Namibia leben bis zu zwölf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen kulturellen, sprachlichen und historischen Traditionen zusammen. Die Bevölkerungsgruppen sind teilweise in den letzten Jahrhunderten ins Land eingewandert – manche aber leben schon seit Anbeginn ihrer “Ethnogenese” im heutigen Namibia.

Erleben Sie die uralte Jägerkultur der San-Buschmänner und das traditionelle Leben der Menschen in einheimischen Dörfern!

Überblick über Namibias Ethnien

Damara / Bergdama
Die Damara zählen mit den Nama und den San zu den ältesten Einwohnern und somit zur Urbevölkerung der Region. Sie teilen eine ähnliche Sprache (Sprachfamilie derKhoisan) und Kultur. Allerdings ist ihre genaue Herkunft unbekannt. Theorien gehen davon aus, dass sie aus Westafrika nach dem heutigen Namibia zogen, dort auf die Nama trafen und deren Kultur und Sprache assimilierten.

Heute leben die Damara in den Bergen des mittleren Nordwestens, zwischen dem District Erongo im Süden und dem Kaokoveld im Norden – im Vergleich zu anderen Völkern des Landes einem weniger geschlossenen Siedlungsgebiet. Das Damaraland zählt heute zu den schönsten, aber auch ärmsten Landstrichen Namibias. Durch die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Herero und Nama im 19. Jahrhundert wurde das Damaragebiet zum Teil okkupiert, was zur Folge hatte, dass sich diese zurückzogen. Die Mehrheit der heute lebenden Damara bewohnt deshalb andere Gebiete außerhalb ihres traditionellen Siedlungsraumes. Sie arbeiten als Gastarbeiter auf Farmen, in den Städten oder auch in Bergbaugebieten im ganzen Land.

Im Gegensatz zu den San sind sie ein sesshaftes Volk. Sie betreiben ein wenig Ackerbau und Viehzucht von Ziegen, erwirtschaften aber auch heute noch den größten Teil ihres Lebensunterhalts durch Sammeln (Zwiebel- und Knollengewächse) und Jagen. Von den Herero und Nama wurden sie wegen ihrer Schmiede- und Waffenkunst geschätzt und oft gezwungen, für diese zu arbeiten.
Im Gegensatz zu vielen anderen Ethnien in Namibia besitzen die Damara keine Gesellschaftsordnung die über die Familienclans hinaus geht – es gibt keine Anführer, Könige oder Häuptlinge. Allein der Familienclan gilt als politische und soziale Einheit. Zwar wurde von der Kolonialmacht ein Oberhaupt inthronisiert, sogar 1993 zum König der Damara ernannt. Jedoch wurde dieser nicht von allen Damara anerkannt und besitzt somit auch keine legitime Macht über das ganze Volk.

Ihr ursprünglicher Glaube beschränkte sich auf eine Gottheit mit vielen Erscheinungsformen des Wassers wie Regen, Nebel oder einer Quelle. Aber auch die Verehrung des heiligen Feuers spielt eine wichtige Rolle im täglichen Leben. Heute sind die meisten Damara zum Christentum bekehrt. Manche von ihnen haben neben den dominierenden Ovambo höhere Positionen des öffentlichen Lebens inne – wie zum Beispiel die ehemaligen Premier- und Arbeitsminister der Regierung Sam Nujomas.

Herero
Auch die Herero sind ein bantusprachiges Volk welches – wie auch für die Ovambo angenommen wird – vor mehreren Jahrhunderten aus dem ostafrikanischen Gebiet der Großen Seen eingewandert ist. Sie gelten als die Brüder der Himba, und sollen sich erst kurz vor der Niederlassung in ihrem heutigen Gebiet von denen getrennt haben. Zunächst siedelten sie gemeinsam im Kaokoveld, im Nordwesten Namibias, jedoch wanderte die Mehrheit (Herero) von ihnen in der Mitte des 18. Jahrhunderts weiter in Richtung Süden. In ihrem späteren Siedlungsgebiet, der trockenen und östlichen Region des Sandveldes, leben heute noch 100.000 Herero. Die kleine Gemeinschaft der heutigen Himba lebt auch heute noch im Kaokoveld.

Vor dem Kontakt mit den Europäern galten die Herero als Viehnomaden, während sie heute als nur noch als ein Hirtenvolk von Rinder- und Kleinviehherden bezeichnet werden. Nahrungsmittel waren die Erträge ihrer Tiere – Fleisch und Milch galten als Hauptnahrung. Die Gebietsansprüche deutscher Siedler hatten zur Folge, dass sich die Wirtschaftsform der Herero auch auf den Ackerbau ausweiten musste, was die Konzentration auf einen festen Lebensraum mit sich brachte. Der Stolz ihrer Herden und das Verehren ihrer Rinder brachte immer wieder Streitigkeiten und kriegerische Auseinandersetzungen mit ihren Nachbarn (vor allem den Nama) sowie der späteren Kolonialmacht Deutschland mit sich. Trauriger Höhepunkt der Auseinandersetzungen mit den Deutschen war 1905 die Schlacht am Waterberg mit der anschließenden Vertreibung der Herero in die Omaheke-Sandveld Wüste. Der verlorene Aufstand und die zahlreichen toten Herero führten bei den Nachkommen zu einem starken Identitätsbewusstsein. Ende August jeden Jahres wird am Hererotag dieser Zeit, ihrer verlorenen Führer und getöteten Familienmitglieder gedacht.

Ihre soziale und politische Organisation ging ursprünglich nicht über autonome Lokalgruppen hinaus, deren Zusammenhalt auf engen Verwandtschaftsbeziehungen weniger Großfamilien beruhte. Religiöse und politische Ämter wurden in der männlichen Linie (oruzo) vererbt, während der gesamte Viehbesitz innerhalb der Mutterlinie (eanda) weitervererbt wurde. Die Vergangenheit und die Geschichte der Familie werden mündlich weitergegeben. Das Wissen um die Herkunft und die Familien reicht bei jedem Herero um mehrere Generationen zurück.

Die traditionelle Lebensweise der Herero findet im ozonganda statt – dem Familiengehöft. Hier wohnt das Familienoberhaupt mit seiner Frau bzw. seinen Frauen, den Kindern sowie den Angehörigen der folgenden Generation, zusammen. Auch die Familie des Bruders sowie die meist unverheiratete Schwester (Exogamie) können im Gehöft mitwohnen, wobei jede Partei ein eigenes Gebäude bewohnt.

In ihrem traditionellen Glauben verehren die Herero eine Heiligkeit – makuru, “die Altehrwürdige” genannt. Sie steht an der Spitze der Hierarchie vieler personifizierter Kräfte, welche, wie auch die Ahnengeister, zu Aktionen in der Gegenwart fähig sind. Wie bei den Ovambo bot das Feuer die Kontinuität zwischen Leben und Tod oder Vergangenheit und Gegenwart. Es durfte ausschließlich von Häuptlingen entzündet werden und nicht ausgehen. Geschah dies, war das Stammesleben und der Zusammenhalt untereinander in Gefahr. Durch die Arbeit der Mission erstarb das Feuer. Die Ahnenverehrung verschwand und wurde durch den christlichen Gottglauben ersetzt. Viele der Herero sind zum Christentum übergetreten – gerade auch weil die Missionen ihnen nach ihrer Vertreibung halfen, eine Existenzgrundlage der Familienverbände zu schaffen. In der heutigen Zeit, vor allem durch das intensive Gefüge der Großfamilien, gewinnen alte Traditionen wieder zunehmend an Bedeutung.

Ein weiterer und vor allem kurioser Einfluss den die Mission und auch die Kolonisation mit sich führte, war die neue Kleidermode der Herero. Während die Frauen sich maßgeblich an der wilhelminischen Mode orientierten, dabei die traditionelle Leder- und Fellbekleidung ablegten und gegen mehrere bodenlange Röcke, Blusen mit Puffärmeln und einer Haube mit querstehendem Stoffriegel eintauschten, begannen die Männer sich in Fantasieuniformen zu kleiden und Holzgewehre zu tragen. Die sogenannten Truppenspieler gehören einem Geheimbund an, der identitätsstiftendes Merkmal nach der Schlacht am Waterberg wurde. Heute noch kann man die Auftritte der Truppenspieler der “Vereinigung der Roten Fahne” bei Festen der Herero mitverfolgen.

Himba
Die Himbas in Namibia zählen bis zu 10.000 Menschen und leben im Kaokoveld. In dieses unwirtliche und schroffe Wüstengebiet flohen sie vor den kriegerischen Nama. Im Kaokoveld angekommen, konnten sie sich fast sicher sein, dass keine weiteren Völker sie hier bedrohen oder gar vertreiben würden. Dies galt auch für Missionare sowie Kolonial- und Mandatsmacht. Südafrika erklärte das Kaokoveld als eigenes Homeland, um das sich nicht weiter gekümmert wurde. Auf diese Weise konnte sich hier die Kultur der Himbab ihre Lebensweise und Traditionen bis ins 20. Jahrhundert hinein bewahren.

Die Himba sind Viehzüchter und im Besitz größerer Rinder- und Ziegenherden, mit welchen sie auf der Suche nach guten Weideplätzen durch das Kaokoveld ziehen. Die Tiere und deren Quantität sagen viel über den Status einer Himba Familie aus. Je mehr Tiere umso reicher und höher deren sozialer Status.
Dass die Tiere auch sonst eine wichtige Rolle im Leben der Himba spielen, zeigt sich beim näheren Betrachten der Kleidung und Frisur der Menschen. Sie tragen einen Lendenschurz aus dem Fell der Tiere und ihrer Haare, je nach Alter und Geschlecht, stellen die Hörner ihrer Rinder dar. Überhaupt ist das äußerliche Erscheinungsbild der Himba ein wesentliches Merkmal ihrer Kultur und grenzt zum Teil an ethnographische Ikonographie. Durch Wasserknappheit und hygienischem Mangel reiben sich die Himba täglich mit einer Creme aus Kakaobutter und eisenoxydhaltiger Erde ein, was sie vor starken Sonnenstrahlung und Flüssigkeitsverlust schützt und gleichzeitig ihr Schönheitsideal bedient.

Eine wesentliche Rolle im Glauben stellt, wie bei vielen anderen Völkern der Region, das heilige Feuer dar, welches als symbolisches Medium mit den Vorfahren gilt. Durch das Feuer können die Ahnen aktiv am gegenwärtigen Leben teilhaben, darin eingreifen und dies miterleben. Erlischt das Feuer, ist jeglicher Kontakt zu ihnen abgebrochen. Um dies zu vermeiden wird eigens hierfür eine Person ausgesucht, welche die Hölzer für das Feuer sucht, dieses an neuen Wohnplätzen entzündet und darauf achtet, dass es nicht erlischt. Nach seinem Tod wird die Rolle an den ältesten Sohn weitervererbt. Die Erbfolge des materiellen Besitzes ist weitaus komplizierter: die Herde eines Mannes wird an die Kinder der Schwester vererbt, während die eigenen Kinder wiederum die Rinder des Onkels mütterlicherseits erben.

Bis in die Gegenwart hat sich die Kultur der Himba erhalten und auch die “Gefahren der Zivilisation” haben ihren Weg noch nicht ins Kaokoveld gefunden. Die schlimmste Bedrohung ihres Lebensraumes und ihrer Weidegebiete war ein geplantes Staudammprojekt sowie ein Wasserkraftwerk an den Epupa-Fällen. Nun liegt das Projekt wieder auf Eis. Wenn jedoch die Wasser- und Energieressourcen des Landes sinken, können diese Pläne wieder aufgenommen und zur realen Bedrohung der Himbakultur werden.

Caprivianer
Im äußersten Nordosten Namibias befindet sich der Caprivi Zipfel – benannt nach dem deutschen Reichskanzler, dem Grafen Leo von Caprivi. In der wasserreichen und subtropischen Region, die Namibia einen Zugang zum Sambesi eröffnet, leben bis zu sechs Volksgruppen mit bis zu 100.000 Menschen, die als Caprivianer (Fwe, Subia, Yeyi, San, Kololo) zusammengefasst werden können und ca. 4% der Gesamtbevölkerung Namibias ausmachen. Die meisten Caprivianer haben Verwandte in den angrenzenden Nachbarstaaten Botswana und Sambia. Der Westen des Caprivi Zipfels wird von denMbukushu bewohnt, die zu den Kavango gehören – einer Ethnie der Bantu, die zwischen dem Kavango und der Caprivi Region beheimatet ist. Im Osten leben die Fwe und Subia, die zu den Lozi und Totela des Basotselandes aus Sambia gehören, und im 17. und 18. Jahrhundert von diesen unterworfen, sowie in deren Königsstaat einverleibt wurden. Fweund Subia sprechen das Silozi, die gemeinsame Verkehrssprache der Lozi Völker.

Ackerbau ist das wirtschaftliche Rückgrad der Caprivi Völker. Zudem werden noch Fischfang und Viehzucht betrieben. Durch die unregelmäßigen und nicht genau vorhersehbaren Überflutungen der Caprivi Region oder aber auch wegen ausbleibender Regenfälle verlieren die Menschen oftmals ihre gesamte Ernte, weshalb Zusatzeinkommen, durch das Fertigen von Souvenirs oder Gebrauchsgegenständen, benötigt werden. Bekannt sind die Caprivianer durch das Schnitzen der traditionellen mokoros – den zum Fischen und Transportieren benötigten Einbäume.

Ovambo/ Ambo
Die Ovambos stellen mit einem Anteil von knapp 50% an der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie des Landes dar. Ihr Siedlungsgebiet, welches seit ihrer Einwanderung stets dasselbe blieb, erstreckt sich vom nördlichen Grenzgebiet bei Angola bis hin zur Etosha-Pfanne und vom Kaokoveld im Westen bis zum Kavango im Osten. In dieses Gebiet sind sie vermutlich mit weiteren bantusprachigen Völkern aus den Regionen der Großen Seen, im 15./16. Jahrhundert, eingewandert. Von dort brachten sie auch das Wissen um Eisen und dessen Verarbeitung mit.

Seit ihrer Einwanderung sind die Ovambo sesshafte Ackerbauern und Viehzüchter. Traditionell leben sie in kleinen familiären Gemeinschaften innerhalb einer runden, mit Pfahlzäunen umschlossenen, Siedlungsstätte (Kral) zusammen. Die Lage des Krals wurde meist in der Nähe sogenannter Oshanas gewählt – Seen, welche während der Regenzeit mit Wasser gefüllt waren.
Ackerbau ist überwiegend Aufgabe der Frauen, während die Viehhaltung den Männern der Gemeinschaft überlassen wird. Angebaut werden Hirse, Kürbis, Wassermelonen, Nüsse und Bohnen. Das Gebiet gilt als sehr fruchtbar, da sich hier das Flussbett des Kuvelai, aus Angola kommend, zu einem Flussdelta verästelt und jährlich die Region – dem Nil ähnlich – überschwemmt. Zu den Tieren zählen vor allem Rinder und Ziegen.

Die Gesellschaftsform der Ovambo wird als matrilinear bezeichnet und bedeutet für die soziale Organisation der Familie, dass der Bruder der Mutter eine wichtigere Person im Leben der Kinder darstellt als der leibliche Vater. Die Kinder sind somit die Erben des Onkels. Von ihm erhalten sie seine politische Macht und seinen materiellen Besitz. Er hat den größten Einfluss auf sie, ist ihr Vormund und gilt als der nächste männliche Verwandte. Besitzt die eigene Mutter keinen Bruder, erwirbt der Bruder der Großmutter dieses Recht bzw. deren Verpflichtungen.
Durch den Einfluss der ab dem 19. Jahrhundert im Land arbeitenden Missionen sind die Ovambo heute größtenteils patrilinear organisiert. Die polygyne Lebensweise der männlichen Ovambo, weist wiederum daraufhin, dass allein die Matrilinearität als Gesellschaftsform keine Aussage über Macht und Stellung der Frauen innerhalb der Gesellschaft trifft. Ein Mann kann mehrere Frauen heiraten, solange er finanziell für sie aufkommen kann. Bei den Ovambo erwartet jede verheiratete Frau ihre eigene Hütte, in welcher sie mit ihren Kindern leben kann. Innerhalb des Familienkrals leben – je nach Reichtum des Mannes – mehrere Frauen zusammen.

Während gegen Ende des 19. Jahrhunderts nur wenige Ovambo den christlichen Glauben annahmen, zählen heute fast 80% des Volkes zu den Christen (evangelisch, katholisch und anglikanisch). Hierbei vereinten sie zum Teil ihren traditionellen Glauben mit dem christlichen und entwickelten ihren eigenen Synkretismus. Wie auch im Christentum wird im traditionellen Glauben ein höchstes göttliches Wesen – Kalunga, -verehrt, an dessen Stelle der christliche Gott getreten ist.
Auch heute noch werden die Ahnen der Ovambo verehrt, welche eine bedeutende Rolle im täglichen Leben einnehmen. Um ihre Gunst zu erlangen, um Unheil abzuwenden oder um Wünsche zu äußern, wird ihnen geopfert. Opferdarbietungen sind meist natürlich-materieller Natur, wie zum Beispiel Schnaps und Rauchwaren, Gemüse und Obst oder auch Fleisch. Das verbindende Medium mit den Ahnen und somit der Vergangenheit ist das Feuer. Früher wurde es als heilig verehrt und symbolisierte die Kontinuität von Vergangenheit und Gegenwart. Dabei durfte es nie ausgehen – wenn dies doch geschehen sollte, war es ein Anzeichen großen Unglücks.

Da die landwirtschaftliche Ressource ihres Lebensraumes angesichts ihrer Bevölkerungszahl zu gering ist, ihr Land durch Überweidung den Herden keine Nahrung mehr bietet und ein weiteres Vordringen über die Grenzen des Etosha-Nationalparks unmöglich ist, leben und arbeiten heute viele Ovambo in den Städten, die Männer sind auf Wanderarbeit in Südafrika und Botswana oder haben sich als Farmarbeiter auf den jeweiligen Farmen niedergelassen.

San (Buschmänner)
Die kleinste ethnische Gruppe Namibias wird von den San mit knapp 2% der Gesamtbevölkerung repräsentiert. Sie gelten als die Ureinwohner des südlichen Afrikas. Als Sammler und Jäger lebten sie in den Savannen, wurden aber von den einwandernden Herero und Nama in die Wüstenregion der Kalahari gedrängt, wo sie heute noch leben. Dort haben sie sich den Lebensbedingungen der durch Wassermangel geprägten Region bestens angepasst.

Heute leben sie im Nordosten des Kernlandes der Kalahari, an der Grenze zu und in Botswana. Nur noch ein kleiner Teil von ihnen lebt heute das traditionelle Leben ihrer Vorfahren – der Großteil der San arbeitet auf Farmen oder als touristische Fährtenleser auf Lodges. Die Arbeitslosigkeit unter den San ist bedeutend hoch, da sie in Namibia wie auch in Botswana als rückständig angesehen werden. Viele von ihnen sind durch den Wegfall ihrer Kultur dem Alkohol verfallen. Nur ein geringer Teil hat einen guten Zugang zu Bildungseinrichtungen.

Die San leben traditionell in kleinen Familienclans, von 5-15 Familien bzw. bis zu 60 Personen, zusammen. Sie führen ein nomadisches Leben und werden von einem Ältesten bzw. Familienoberhaupt angeführt. Über diesen Ältesten gibt es keine weitere politische Autorität, welche alle San eint.

Ihre Religion bezieht sich auf magische Kräfte, die in der Natur vorhanden sind und derer man sich – ja nach Dringlichkeit und Wunsch – bedienen kann. Zwar besitzen die San ein höheres göttliches Wesen, jedoch wird dieses kaum verehrt und ihm auch nicht geopfert.

Während das Jagen den Männern überlassen ist, sammeln die Frauen Früchte oder anderes Essbares. Ihre Jagdausrüstung hat sich seit Jahrhunderten nicht geändert – die Männer benutzen nach wie vor Speere sowie kleine Jagdbögen mit vergifteten Pfeilen. Die Reichweite der Pfeile liegt ihrer Größe wegen bei nur 25 Meter, jedoch ist durch die vergiftete Pfeilspitze (eine Mischung aus Pflanzen, Schlangen und Larven) ein recht hoher Jagderfolg garantiert.

Die Vorfahren der heutigen San gelten als Schöpfer einer großen Anzahl von Felsbildern, welche einen Einblick in die Geschichte geben können. Darstellungen wie der Kampf gegen Eindringlinge, bei der Jagd oder mythische Rituale stellen wichtige Szenen des alltäglichen Lebens von vor tausenden von Jahren dar. Dennoch vermittelt auch heute noch das traditionelle Leben weniger Familien als Jäger und Sammler sowie deren Mythen und Gesänge eine Vorstellung davon, wie sich ihr Dasein in früheren Jahrhunderten gestaltet haben mag.

Nama (Khoikhoi/Hottentotten)
Die Nama gehören ethnisch zu den Khoisan sprechenden Völkern. Von ihnen leben ca. 100.000 Personen in Namibia, etwa 5% der Gesamtbevölkerung. Während der Eroberungs- und Kolonialzeit wurden sie von der weißen Minderheit abfällig als Hottentotten bezeichnet. Sie selber nennen sich Khoikhoi, was soviel wie “Männer aller Männer” bedeutet.

Schon vor Tausenden von Jahren lebten die Nama im Süden des heutigen Namibias zwischen dem Oranje und dem Swakop, aber auch im heutigen Südafrika – in einem besonders trockenen und dürren Gebiet. Ihre Wirtschaft bezog sich auf nomadisierende Viehzucht von Rindern, Schafen und Ziegen sowie Jagd- und Sammeltätigkeiten, da allein die Viehzucht für den Nahrungsbedarf nie ausreicht. Die Nama sind weder ausschließlich Sammler und Jäger, Viehnomaden oder Ackerbauern. Sie haben sich von jeder Wirtschaftsform Wissen angeeignet, um flexibel zu sein und zu überleben. Gerade dies macht sie allerdings zu Außenseitern und führte in der Vergangenheit zu zahlreichen Auseinandersetzungen mit anderen indigenen Gruppen des Landes.

Vor dem Eindringen der Europäer lebten Stämme der Nama zusammen im Süden. Während die Namaqua weiter in den Norden zogen, von den in Südafrika sich ausbreitenden Buren vertrieben, blieben die Orlam, welche aus weißen Buren und Nama Frauen hervorgingen, weiterhin in dieser Region wohnen. Dies änderte sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als sie ihren Namaqua-Verwandten zu Hilfe eilten, um sie im Kampf gegen die Herero zu unterstützen. Den Auseinandersetzungen mit den Herero und den Himba folgten Streitigkeiten und Kämpfe mit den Schutztruppen des Deutschen Reiches. Nach dem Ende des 1. Weltkrieges waren die Nama, wie auch alle anderen Ethnien des Landes, in Reservaten untergebracht. Während der Zeit der südafrikanischen Mandatsherrschaft waren sie als Lohnarbeiter in den Städten zu finden.

Die traditionelle Gesellschaftsorganisation der Nama ist heute größtenteils zerbrochen. Es lassen sich noch ein Clansystem rekonstruieren – mit einer Unterteilung in Kleinnama- und Großnamastämme, einem Häuptlingstum, festen Grenzen des Stammesgebietes und zugesprochenen Rechten auf Wasserstellen. Das Heiratsgebot war exogam – es durfte ausschließlich aus dem Clan heraus geheiratet werden. Die familiäre Struktur war patrilinear – Ämter und Eigentum an Grund und Boden sowie anderen Besitztümern wurden von dem Vater auf den Sohn vererbt.

Über den ursprünglichen Glauben der Nama ist heute weitaus weniger bekannt als über ihre soziale Struktur. Zauberglaube und Ahnenverehrung, zwei in der Region sehr stark verbreitete religiöse Ansichten, werden den alten Nama zugeschrieben. Auch eine monotheistische Religionszuschreibung, in der der Gott Guab die zentrale Stellung als Regengott einnimmt, kann den Nama heute noch zugeschrieben werden. Heute sind fast alle Nama zum Christentum übergetreten und formieren sich in der AMEC, der African Methodist Episcopal Church.

Kavango
Der Okavango ist der Grenzfluss zwischen Angola und Namibia und die Lebensader der fruchtbaren Schwemmlandebenen. In diesem Gebiet zwischen dem Ovamboland und dem Caprivizipfel leben die rund 200.000 Kavango – bestehend aus fünf Untergruppen. Sie sollen in der Mitte des 18. Jahrhunderts aus Ostafrika kommend hierher eingewandert sein und zählen, wie die Ovambo, zu den Bantu-Völkern.

Ihre Subsistenzwirtschaft beruht größtenteils auf dem Ertrag der dortigen Fischfangmöglichkeiten aber auch auf Viehzucht von Rindern, Schweinen und Ziegen sowie dem Anbau von Getreide und Gemüse, wie Hirse, Sorghum, Mais oder Kürbisfrüchten.

Die traditionelle Gesellschaftsordnung der Kavango ist die Matrilinearität – die Stammes- und Familienführung wird über die Linie der Mutter weitervererbt. Durch die Zunehmende Bedeutung der Viehwirtschaft gelangten auch die männlichen Interessen mehr in den Vordergrund und verbesserte das soziale Ansehen der Männer, sowie deren gesellschaftliche Position. Jede Gruppe wird von einem “Kapitän” (Häuptling) geführt und über die Matrilinie weitervererbt. Dieser Kapitän, von Ratgebern umgeben und unterstützt, ernennt wiederum Distriktverwalter (Formani) oder vergibt andere Ämter zur sozialen Organisation.

Weiterhin ist der Kapitän auch religiöser Führer, der die Verbindung zu den Ahnen darstellt und als Medium fungiert. Dabei kann ihm das Große Feuer behilflich sein, welches rituell dieselbe Funktion des Vermittlers mit den Ahnen einnimmt und seine Lebensenergie symbolisiert. Bei seinem Tod erlischt das Feuer. Die Missionierung hat die Kavango-Völker noch nicht vollständig erreicht, weshalb der traditionelle Glauben an das höchste Wesen Karunga weiterhin einen großen Bestandteil im Leben der Kavango hat. Weiterhin spielt der Glaube an Naturgewalten, wie Sonne, Mond, Wind und Sterne eine große Rolle. Auch gibt es Mittler zwischen bösen und guten Energien: Naturheiler, Hexer oder auch Zauberer können böse Magie fernhalten oder Bedrohungen voraussagen.

Coloureds
Im Gegensatz zu den Bastern besitzen die Coloureds keine einheitliche Herkunft und stellen eine eher heterogene Gruppe mit dunkler Hautfarbe dar. Zu ihren meist männlichen Vorfahren außerhalb Namibias zählen u. a. Europäer, Inder und Malaien welche während der Mandatszeit Südafrikas ins Land kamen, um innerhalb einer gemäßigteren Apartheidpolitik zu leben.

Sie leben verstreut vor allem im Süden und in den Städten Zentralnamibias (Lüderitz, Windhoek) und sprechen die Keemgangssprache, einen Dialekt des Afrikaans. Im Vergleich zur restlichen Bevölkerung Namibias sind die Coloureds sehr gut ausgebildet, in vielen unterschiedlichen Berufsgruppen und auch in Führungspositionen zu finden.

Rehobother Baster
Die Rehoboter Baster kamen nach den Orlam gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus Südafrika ins Land. Sie sind Afrikaans-sprechende Mischlinge und Nachkommen aus Verbindungen weißer Siedler (Buren) mit den Frauen der Nama.

Im Gegensatz zu anderen Mischlingen sind die Baster eine eher homogene Gruppe, welche sich nach ihrer Migration in das heutige Namibia um die Stadt Rehoboth formierte und seitdem den Stadtnamen in ihrer Volksbezeichnung trägt. Seit 1870 leben sie in der Stadt Rehoboth und der Umgebung und führen ein monogam patriarchalisches Gesellschaftsleben als Kleinbauern. Alle Baster führen ihre Existenz auf ein paar wenige Gründerfamilien aus der südafrikanischen Kapprovinz zurück. Auf ihre Herkunft und Identität sind sie sehr stolz – so konnten sie dies doch auch gegenüber der Apartheid bewahren und standen der Homelandpolitik Südafrikas positiv gegenüber.

In der Gegenwart spielen jedoch rassische Merkmal auch bei den Bastern eine gesellschaftliche Rolle: hier können zwei unterschiedliche soziale Schichten betrachtet werden. Die eher hellhäutigen stellen die wohlhabenden Familien dar, welche wichtige Funktionen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft einnehmen. Die deutlich ärmere Schicht wird von den Menschen mit dunkler Hautfarbe repräsentiert.

Buren, Portugiesen, Deutsche
Die weiße Bevölkerung Namibias macht rund 6% der Gesamtbevölkerung aus. Sie stammen von den Buren, Engländern, Portugiesen oder Deutschen ab. Etwa zwei Drittel der Namibier mit europäischer Abstammung sprechen Afrikaans, ein Viertel Deutsch und der Rest meist Englisch und ein wenig Portugiesisch.

Die Geschichte der Einwanderer ist sehr unterschiedlich. Seit der Unabhängigkeit von Angola 1975, zog es viele Portugiesen aus deren ehemaliger Kolonie nach Namibia, während heute Buren und Deutsche schon in der vierten Generation in Namibia leben. Viele Deutsche blieben nach dem Verlust ihrer Kolonie im Land, oder kamen nach ihrer Internierung während der beiden Weltkriege aus Südafrika zurück. Aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg zog es einige wenig Deutsche nach Namibia; Ein Grund hierfür ist die Arbeitsmigration. Briten und Buren kamen aus Südafrika nach Namibia. Die damalige Mandatsmacht Südafrika unterstützte südafrikanische Siedler finanziell, indem ihnen Farmland in Südwest angeboten wurde. Südafrika setzte damit auch ein weiteres Fundament für ihre zukünftige Vorherrschaft über das Gebiet.

Trotz ihres Minderheitenstatus gehört den Weißen der Großteil des Farmlandes Namibias. Nur 12% der Fläche wird von schwarzen Namibiern bewirtschaftet. Im Gegensatz zu den brutalen Enteignungsvorgängen in Simbabwe, soll dieses Ungleichgewicht in den kommenden Jahren mittels einer Landreform verändert werden. Diese Reform ist bisher friedlich verlaufen, die Enteignungsbriefe, die in der Mitte der 2000er Jahre schickt wurden, sind aber bisher noch nicht realisiert worden. Wie das Farmland, ist auch das Wirtschafts- und Geschäftsleben größtenteils in der Hand weniger Weißer, insbesondere die Tourismusindustrie. Auch gehören ihnen die gesamten Schürfrechte im Land, welche zum Teil von Europa und Amerika aus kontrolliert werden.